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Ein Blick auf die augenblickliche Situation mit Vorschlägen zur priesterlichen Existenz

Der 4. Sonntag der Osterzeit ist der Sonntag des Guten Hirten. „Ich bin der gute Hirt” (Joh 10,11), sagt Jesus im Johannesevangelium.
Ein starkes Bild, das den Auferstandenen charakterisiert.
Der 4. Sonntag der Osterzeit lädt uns auch ein, unsere Aufmerksamkeit denen zu schenken, die diesen guten Hirten sichtbar vertreten in der Verkündigung, in der Spendung der Sakramente sowie in der Gemeindeleitung, also den Priester.
Mit Recht hat das Trienter Konzil (1545-1563) die Seelsorge unter das Leitbild des Guten Hirten gestellt. Die Sorge um Priesterberufe und um die priesterliche Existenz bewegt nicht nur mich seit langem.
Mehrere Nachrichten haben mich in letzter Zeit alarmiert:

  1. Im neuen Studienjahr hat in unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart kein einziger das Studium der Katholischen Theologie begonnen mit dem Ziel, Priester zu werden.
  2. Der „Synodale Weg” hat gefordert, man solle prüfen, ob unsere Kirche den geweihten Priester überhaupt (noch) braucht.
  3. Viele Priester versuchen heute, allein zu leben und mit den zusätzlichen Aufgaben in Küche und Haushalt zurechtzukommen. Ob man mit dieser Lebensweise dem Sinn der priesterlichen Ehelosigkeit gerecht wird, ist mehr als fragwürdig.

Was kann man zur Linderung oder gar zur Lösung der beschriebenen Probleme tun? Zum Beispiel dafür, dass sich mehr junge Menschen für den Priesterberuf entscheiden?
Jesus empfiehlt: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Wir sollen also oft um die Berufung guter Priester beten. Im „Gotteslob” finden sich geeignete Gebete, z.B: GL 21,3. Auch der Rosenkranz am Priesterdonnerstag und die Votivmesse um geistliche Berufe bieten sich an.
Was kann man tun, dass priesterliche Existenz sinnvoll, lebbar und mit Freude gelebt wird?
Der Priester soll kein Einzelkämpfer sein. Er soll eingebunden und beheimatet sein in zahlreichen Gemeinschaften und Freundschaften, auch innerhalb der priesterlichen Mitbrüder. Die Ehelosigkeit, die in diesen Tagen auch unser als weltoffen geltender Bischof gefordert hat, soll eine größere Freiheit für Gott und die einem anvertrauten Menschen ermöglichen. Aber sie muss sinnvoll und lebbar sein. Die Heilige Schrift erzählt, dass Jesus die Zwölf zu zweit aussandte in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. (Vgl Mk 6,6b-13). Die Zwölf haben also in den Gemeinden gelebt. Und es ist anzunehmen, dass sie von diesen Gemeinden auch versorgt worden sind.
Es heisst nämlich: „Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst” (Mk 6,10). So lebt auch heute ein Priester in der Gemeinde und mit der Gemeinde. Ich habe eigentlich immer mit den Gemeinden gelebt. Zwischen mir und den Mitgliedern der Gemeinde gab es keine Barrieren. „Die Tür steht offen, das Herz noch mehr”. Dieses Wort stand in lateinischer Sprache am Eingang eines Klosters: „Porta patet,cor magis”. Dieser Willkommensgruß sollte auch für mich gelten. Ich lebte mit den Gemeinden, mit den kirchlichen und weltlichen Vereinen, mit der organisierten Jugend, mit den Lehrern und Lehrerinnen und Schülern und Schülerinnen,
den gewählten Vertretern der Kirchengemeinde, den Kirchenchören und den Musikvereinen. Ich fühlte mich angenommen und getragen. Auch hier gilt: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Vielleicht erwachsen aus solchen Beziehungen Hilfen für den Haushalt, die in früheren Zeiten vielfach aus der eigenen Familie oder Verwandtschaft kamen.
Was aber geschieht, wenn ein Priester in den Ruhestand geht, das Pfarrhaus und die Gemeinde verlassen muss? Dann endet meistens die Fürsorge des Bischofs. Dann muss ein Priester sehen, wie er auf dem „freien Markt” zurecht kommt. Eine segensreiche Mitarbeit in einer anderen Seelsorgeeinheit ist dann vom Wohlwollen des Leitenden Pfarrers abhängig. Kleine Gemeinden, die man als Ruhestandsgeistlicher begleiten könnte, gibt es nicht mehr.
Angesichts der beschriebenen Lage kann man nicht einfach wegschauen, die Achseln zucken und sich wie auf einem Floss ohne Steuerung treiben lassen. Deshalb zum Schluss noch folgende Anregung: Alle, die mit diesen Gedanken zu geistlichen Berufungen und priesterlicher Existenz einverstanden sind und etwas zur Lösung der Probleme beitragen wollen, mögen mich oder das Pfarrbüro unserer Seelsorgeeinheit darüber informieren. Daraus mögen sich weitere Schritte ergeben.
Jesus Christus, der Gute Hirte, ist der eigentliche Grund für die göttliche Tugend der Hoffnung. Er sei auch das Vorbild für unsere seelsorgerlichen Bemühungen.


Hermann Knoblauch, Pfarrer i.R., Aalen