Seite wählen

Sonntag, 9. Oktober, 14 Uhr: Der letzte Orgelton des Abschlussgottesdienstes zur Gemeindeerneuerung ist verhallt, die Gäste der anschließenden Begegnung im Salvatorheim zerstreuen sich, der Zwiebelkuchen ist aufgegessen, die Tür wird abgeschlossen, die Gemeindeerneuerung ist vorbei. – Oder? War’s das jetzt?
Die Vorträge und Impulse von Pater Felix Körner SJ, die ich an drei von fünf Abenden miterleben durfte, beschäftigen mich gedanklich weiter und erneuern, erweitern meinen Horizont: Sehr beeindruckt hat mich, wie intensiv der Geist des Glaubens zu spüren war, als das Mikrofon von Hand zu Hand ging und viele Gemeindemitglieder erzählten, aus welcher Quelle sie ihre Kraft schöpfen. Vom Bibelteilen über Taizé-Gebet, Rosenkranzgebet, Musik, Gemeinschaft im Gottesdienst, eine gute Predigt, gemeinsame Gremienarbeit, Gottes Schöpfung in der Natur bis hin zur Betenden Präsenz der Ordensschwestern in Aalen wurde eine enorme Bandbreite genannt. Mir wurde dabei (erneut) bewusst, wie bereichernd es ist, wenn eine lebendige Gemeinde vielfältig aufgestellt ist und unterschiedliche Bedürfnisse anspricht.
Ja, ich denke, jede und jeder hat für sich neue Erkenntnisse mitgenommen von diesen Abenden der Gemeindeerneuerung – aber „Gemeinde“-Erneuerung? In der Kleingruppe wurde die Frage gestellt, was denn jetzt in unsere Gemeinden hinein weiterwirkt. Wie erneuern wir uns als Gemeinde? Wie stecken all die Einzelteilnehmerinnen und -teilnehmer andere an, sodass die eigene Erneuerung in der Gemeinde konkret sichtbar wird? – Im Plenum kam sehr deutlich zum Ausdruck, dass wir nicht aktionistisch in den moralischen Imperativ des „Wir sollten …“ verfallen dürfen, eine derartige Einstellung lähmt uns eher. Eine lebendige Gemeinde schöpft dagegen aus den Charismen ihrer Mitglieder. Wo jemand für eine Sache brennt oder etwas auf die Beine stellen will, da springt der Funke über, und es entsteht eine Dynamik, durch die andere motiviert werden, die sich vielleicht von selbst nicht engagiert hätten. Dabei können die Charismen ganz unterschiedlich sein – manche extrovertiert und nach außen sichtbar, andere still, meditativ, im Hintergrund bleibend.
Gemeindeerneuerung stelle ich mir daher vor als neuen Mut: Alle Gemeindemitglieder – langjährige und neu Zugezogene, junge und alte – dürfen sich erneut angesprochen fühlen und spüren: Ich kann mich trauen, ich kann mein Charisma in den Dienst meiner Mitchristen stellen, darf mich einbringen mit dem, was ich weiß, kann oder ausprobieren möchte. Ich habe Mut und spreche andere an „Ich hab‘ da eine Idee, machst du mit?“.
Gemeindeerneuerung heißt dann andersrum neue Umsicht: Alle Gemeindemitglieder können Zuspruch geben, unterstützen, bestärkend wirken oder einen Willkommensgruß aussprechen, wenn „Neue“ in den Reihen auftauchen, wenn Ideen keimen, wenn Hilfe gesucht wird, wenn ungewöhnliche Wege beschritten werden, wenn Entscheidungen gefällt werden, wenn Evangelisierung stattfindet, wenn wir leben, dass das Reich Gottes bei uns bereits anfängt. In einem erneuerten Geist sagen wir wohlwollend „Toll, dass etwas Neues entsteht!“
Mehrfach klang während der Abendveranstaltungen in der Kleingruppe an, dass es für neue Gemeindemitglieder schwierig ist Anschluss zu finden. Trotz unserer vielen Gruppierungen fühlen sich offenbar nicht alle, die zum Gottesdienst kommen und zur Gemeinde gehören wollen, beheimatet. Gemeindeerneuerung verbinde ich deshalb mit einer neuen Offenheit: Ich erlebe unsere Gemeinde so, dass unsere Kreise, Teams oder Gruppierungen offen sind für neue Mitglieder. Aber vielleicht müssen wir diese Offenheit noch mehr vermitteln, noch mehr einladen, werben, aktiv fragen „Hast du Lust mitzumachen? Komm doch nächstes Mal zu unserer Runde dazu.“
Der Geist der Gemeindeerneuerung bewirkt dann auch eine neue Aufgeschlossenheit: Alle Gemeindemitglieder, die auf der Suche nach Anschluss, nach Begegnung und Gespräch sind, dürfen ohne Scheu zu den Kreisen dazustoßen, auf andere zugehen und einfach sagen „Ich möchte mitmachen. Wann trefft ihr euch das nächste Mal? Wo ist die nächste Veranstaltung?“ Ich bin sicher, es gehen viele Türen auf.
Die regen Diskussionen in den Kleingruppen unter Pater Felix’ Anleitung oder bei der Begegnung nach dem Abschlussgottesdienst haben uns erneut bewusst gemacht, wie groß das Bedürfnis nach einem Austausch über den Glauben in der Gemeinde ist. Die Gemeindeerneuerung mag daher auch ein neues Gespräch anregen. Ob in Form eines neuen Veranstaltungsformats oder bei einer Wiederauflage von Kirchencafé, Gemeindefrühstück oder anderem wird sich zeigen. Auch die Kirchlichen Mitteilungen sind ja ein Organ des Austauschs. Ein einseitiges zwar, weil es keine direkte Rückkopplung gibt, aber wir können ja mehr daraus machen. Schreiben Sie doch für eine der nächsten Ausgaben ein kurzes Statement, wie die Impulse Sie erneuert haben, wie der Geist in Ihrem Umkreis weiterwirkt, wie Sie sich eine Fortsetzung der Gemeindeerneuerung vorstellen. Die Leserinnen und Leser würden sich freuen!

Videos von allen fünf Abenden der Gemeindeerneuerung können Sie nachschauen auf unserem YouTube-Kanal „Katholische Kirche Aalen“.

Text: Anne Henze

Foto: Brigitte Dobler