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Irgendwann stellten wir im Pastoralteam fest, dass es ziemlich überaltert sei. Mehrere sind kurz vor oder nach den Sechzigern und Pater Mathew mit über vierzig der Jüngste. Da kam die Idee auf, die Ausbildungsleitung in Rottenburg zu bitten, uns eine/n Ausbildungskandidatin/en anzuvertrauen, denn Erfahrungen und Praxis hatten wir ja reichlich zu bieten. Wir hatten dann ein außerordentliches Glück, dass man gerade in diesem Jahr im Raum Ostalb einen Ausbildungsplatz suchte. So kam eines Tages ein frisch Studierter aus Tübingen und stellte sich bei uns vor. Seine Herkunft und seine Sprache waren exotisch: Hamburg. Zudem lag die Kombination Hanseat und katholisch nicht auf der Hand. Waren die da oben nicht alle evangelisch?
Und dann begann das, was man Kommunikation nennt: Er war keck, ein bisschen vorwitzig und ziemlich stolz auf seine Medienpräsenz, gleichzeitig voller Elan, wissbegierig, neugierig auf das, was seine alten Kollegen so machten und zusammenbrachten. Bei mir lösen junge Kollegen immer ein bisschen das Gefühl aus, dass ich zeigen muss, dass die alte Zitrone auch noch Saft hat. Deshalb freute ich mich, dass ich mich ihm gegenüber theologisch immer noch stark und gewachsen erlebte. Ja, Hans-Christian konnte es durchaus zulassen, etwas von seinen alten Kollegen zu lernen. Aber gnadenlos deckte er unsere Schwächen, dass wir von moderner Kommunikation keine Ahnung hatten, auf. Die sogenannten „social medias“, also Facebook, youtube, instagram und Konsorten, waren uns nur mit dem Namen bekannt, bestenfalls konnten wir sie ein bisschen benutzen. Aber gestalten? Totale Fehlanzeige! Und da begann der mühsame Weg von H.-C., seine wenig begabten Kollegen in das kleine Medien-Einmaleins einzuweisen. Dass dies sich im Blick auf die Jugend und noch mehr in den Corona-Lock-down-Zeiten als riesiges Glück erweisen würde, konnte man da noch gar nicht ahnen.
Weitere Fähigkeiten von Hans sind seine Lust sich Dinge auszudenken, anzustoßen, auszuprobieren, Spaß haben usw. Und so führte er mit #song4u ein völlig neues Gottesdienstformat ein, das in der winterlichen Kirche wie ein Frühlingsbote daherkommt. Er bastelte mit dem evangelischen Richter ein wunderschönes ökumenisches Aalener Kirchentagskonzept, das wegen Corona nur verstümmelt verwirklicht werden konnte. Filmte seine Kollegin und Kollegen bei Gottesdiensten und geistlichen Worten. (Natürlich predigte er noch nebenbei, feierte Gottesdienste, hielt Schule und machte en passant seine 2. Dienstprüfung.) Er ermunterte, stieß an und ließ vergessen, dass wir doch eine Kirche im ewigen Krisenmodus sind.
Diese Begeisterung ergriff viele: Weststädtler, Marianer und Salvatorianer waren sich einig: Der Hans ist klasse, schwer in Ordnung und muss unbedingt bleiben. Dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen, wissen wir. Seine weitere Beschäftigung in unseren Gemeinden gehörte zu solchen unerfüllten Wünschen.
Doch sollte unsere Enttäuschung darüber viel kleiner sein als unsere Dankbarkeit, dass wir ihn fast drei Jahre haben durften und dass da etwas überaus gut zusammengepasst hat. Dass er seine Charismen mit- und eingebracht hat und diese auf überaus fruchtbaren Boden gefallen sind. Dankbar, dass wir einen Pastoralassistenten erleben durften, der Freude an seiner Arbeit hat und an die Zukunft der Kirche glaubt. Dankbar für das das geteilte Leben, die geteilte Zeit, für die gegenseitige Stärkung im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe.
Hans, die Zeit mit dir war ein großes Geschenk für uns. Und mein großer Wunsch für dich ist: Behalte deine Freude und Begeisterung für das Reich Gottes und trag das Evangelium in die Herzen, wo immer du auch hinkommst.


Herzlich, dein Wolfgang Sedlmeier