Seit ich denken kann, war es eigentlich immer so gewesen, dass man an unseren Gottesdiensten herumgekrittelt hat. Oft war dann der Schluss, dass man eigentlich alles ganz anders machen müsse: Die Sprache würde man nicht mehr verstehen, die Musik wäre aus der Zeit gefallen, die Predigt nichtssagend, die Riten erstarrt usw. Eigentlich könne man sich den Gottesdienstbesuch schenken, da er nichts bringe. „Mir fehlt nichts, seit ich nicht mehr dorthin gehe.“ So oder ähnlich kenne ich das seit Jugend an, und in dieser Zeit ist der Kirchenbesuch der eingetragenen Katholiken an normalen Sonntagen von ca. 30% auf rund 5% gesunken. Jeder Kirchgänger kennt viel mehr Leute in seiner Familie, die den Kirchgang aufgegeben haben, als Familienmitglieder, die den Glauben kirchlich praktizieren. Ja, der praktizierende Katholik macht in seinem sozialen Umfeld sehr oft die Erfahrung, dass er glaubensmäßig unter den Seinen einsam geworden ist. Die Bibel ist ja eigentlich voll mit Gemeinschaftserfahrungen im Glauben: Gemeinsam pilgert man zum Tempel, gemeinsam bringt man Opfer dar, gemeinsam hört, feiert und gestaltet man den Glauben.
Um nun das Verlorene wieder zu gewinnen, versucht man es mit der Optimierung des Gottesdienstangebots. Und in der Tat gelingt es hie da, zu überraschen: Hier eine charismatische Persönlichkeit, dort eine interessante Aktion, da aufregende Musik. Schön, wenn es so etwas gibt, aber alltagstauglich ist das nicht. Stellen Sie sich vor, in einer Familie müssten die Eltern jeden Tag durch ausgefallene Aktionen die Kinder begeistern, dass das Miteinander funktioniert. Hoffnungslos überfordert wären sie. Nein, das Teilen und Bestehen des Alltags gibt der Familie einen Sinn, das immer wieder durch Höhepunkte unterbrochen wird. Wer da eine Dauerbespaßung einfordern würde, hätte nichts von der Wichtigkeit tragender Beziehungen verstanden, damit menschliches Leben gelingen kann.
Für mich heißt das auf den Gottesdienst bezogen, dass natürlich immer gefragt werden muss, ob unsere Gottesdienst so in Ordnung sind, wie sie sind. Wer allerdings meint, dass sie in Sachen Form und Spannung mit den Produkten der Unterhaltungsindustrie konkurrieren müssten, hat nicht verstanden, dass das Beste im Gottesdienst nicht die Show, sondern die Begegnung mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist ist. Sprich, das Wesentliche geschieht in der betenden Zusammenkunft mit den Mitchristen, im Hören auf das Wort und in der Begegnung des Auferstandenen in der Eucharistie. Hier würde ich mir wünschen, dass wir uns nicht auf die konzentrieren, die unserer Meinung nach beim Gottesdienst fehlen, sondern auf das, was im Gottesdienst in und mit uns geschieht. Dann werden wir begreifen, warum unsere Gottesdienste „Eucharistie“, also Danksagung, heißen. Eine passende Antwort auf die Frage: „Warum gehst du eigentlich noch zum Gottesdienst?“ ist dann, „Weil sie gut sind und guttun!“
Das meint Ihr Wolfgang Sedlmeier
Foto: Brigitte Dobler