Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich innerlich denke: „So falsch liege ich doch gar nicht.“ Und dann kommt dieses heutige Evangelium vom Pharisäer und vom Zöllner – und trifft mich mitten ins Herz. Zwei Menschen stehen im Tempel. Der eine dankt Gott, doch in seinen Worten schwingt Überlegenheit mit. Der andere wagt kaum aufzublicken. Nur ein einziger Satz kommt über seine Lippen: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ Und Jesus sagt: Dieser zweite geht gerechtfertigt nach Hause.
Ein anderes Wort kommt mir dazu in den Sinn, dass ganz ähnlich schwingt: „Herr, ich bin nicht würdig, das du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ (Lk 7,6) Wir sprechen es in jeder Messe.
Ich spüre, wie sich in mir etwas gegen dieses „Kleinmachen“ wehrt. Gegen die Haltung, die schnell nach Unterwürfigkeit klingt. Soll das der Weg zu Gott sein – sich selbst kleinreden? Und ist das nicht ein Widerspruch: Hier das Bekenntnis der Unwürdigkeit – dort das Tagesgebet der Weihnachtsmesse, das sagt: „Du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt.“ Bin ich nun würdig oder unwürdig? Beides scheint sich gegenseitig auszuschließen – und doch, vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis des Glaubens: Wir sind in uns selbst verletzlich, fehlerhaft, begrenzt – und zugleich von Gott unendlich geliebt, gewürdigt und geheilt.
Wenn ich in der Messe vor Gott stehe, spüre ich, wie groß, liebevoll und wunderbar Gott mir entgegenkommt. Und ich merke: Es geht nicht um Unterwürfigkeit. Es geht um Staunen. Um das tiefe Erkennen, dass dieser Gott in seiner Größe nicht fernbleibt, sondern in diesem unscheinbaren Stück Brot mir begegnen will. Das ist nicht selbstverständlich. Es ist jedes Mal ein Wunder.
Vielleicht ist das, was der Zöllner erlebt, gar kein Sich-Kleinmachen, sondern das ehrliche Staunen eines Menschen, der weiß, dass alles Geschenk ist. Und dieses Staunen führt zu Dankbarkeit – jener leisen, demütigen Freude, die Gott in unserem Herzen groß macht.
Wie stehe ich vor Gott? Mit gesenktem Kopf – oder mit staunendem Herzen?
Familienreferentin Maria Eßeling
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